Mittwoch, 21. Dezember 2011

compassion


nach nur zwei stunden schlaf weckt uns jon. der fahrer, der uns zum flughafen bandaranaike in negombo bringt, ist ein grossgewachsener, behäbiger, dunkler mann. obwohl wir nur drei nächte hier hausten ist es ein abschied wie von guten freunden. shyamali drückt mir eine letzte mango in die hand. und alle drücken wir uns gegenseitig mit der hoffnung auf ein wiedersehen. lakmal, der 25-jährige aus dem hochland, hat bei diesem kinderlosen ehepaar ein neues zuhause gefunden. aufgrund unschöner kindheitserlebnisse ist er stark traumatisiert, hat immer wieder absenzen, starrt ins leere. lakmal kann viel von seinen christlich orientierten pflegeeltern lernen. er benötigt reichlich zuwendung. zum abschied schenke ich ihm meine alte bergmann armbanduhr mit dem hinweis, dass er stets pünktlich und zuverlässig sein soll, so dass er, wie sein vorbild jon, ein guter tourismusfachmann werden wird.  riesengrosses strahlen erhellt sein gesicht.

lakmal
auch der alte wachmann vor dem carnival ice cream shop wünscht uns gute reise und murmelt ein mantra vor sich hin. unendlich viel liebenswürdigkeit schwappt uns entgegen. die ganze stadt colombo ist hell mit weihnachtsgirlanden beleuchtet. auf der breiten strasse entlang dem regierungssitz hocken ein paar eingemummte männer mit geschlagenen bäumen (tannen?), die sie nach tagesanbruch an christliche, betuchte familien verkaufen wollen. ein letztes grosses geschenk erfahren wir ein paar kilometer weiter. eine perahera (prozession) ist mitten in der nacht im gange. lichtergeschmückte elefanten, feuerzauberer, trommler und buntgekleidete frauen und männer bewegen sich tanzend auf der hauptstrasse richtung dorftempel. ich fühle mich wie in einem fiebertraum.

nachts um 2 partylife
im flughafen herrscht ein treiben, als wäre es mitten im tag. das grosse bild von sureka lasse ich in plastic einbinden. mit einem fragil-kleber können wir es aufgeben. reichlich verspätet heben wir ab. in doha werden wir auf ein anderes flugzeug umgebucht, was ziemlich viel administration verursacht. anscheinend sind einige militärjets im anflug. und so erleiden wir bereits im eisenvogel sitzend einen erneut verspäteten abflug.

von kälte, schneepflotsch und aron werden wir in kloten empfangen. die 30 grad temperaturunterschied machen uns zu schaffen. kaum zuhause unsere koffer ausgepackt ruft uns aron an. mit ihm habe die letzten zwei wochen ein mann aus weissrussland auf der baustelle gearbeitet. sergej ist akkordeonist, leitet in witebsk, dem geburtsort von marc chagall, eine musikschule. weil die inflation in belarus kontinuierlich steigt und die kaufkraft der menschen sinkt, fliegt der rund 40-jährige familienvater mit hilfe von ukrainischen freunden, die in bassersdorf ein restaurant führen, für kurze hilfsarbeitseinsätze in die schweiz. nur so kann er seine frau und die drei kinder ausreichend ernähren. aron bekniet uns, unsere flohmärtkisten zu durchforsten und warme kleider und schuhe zu spenden. das tun wir trotz jetlag und voller waschküche. anderntags treffen wir den sympathischen mann unter der uhr im hauptbahnhof, wenige stunden vor seinem rückflug nach minsk. bei einer heissen schokolade tauschen wir in kürze unsere daten aus. mit einem riesigen, gut verschnürten paket und einem kleinen rucksack aus unserem fundus und einem zustupf in form von 100 euros als weihnachtsgeld, was einem halben monatseinkommen seinerseits gleichkommt, plus 20 franken für den einkauf von kaffee bei lidl in örlikon, verabschiedet sich sergej von uns mit tränen in den augen. wie schwer und entwürdigend ist es doch, hilfe anzunehmen inmitten von glanz und gloria und sichtbarem reichtum in unserer stadt. mir scheint, als hätte mir der mönch ven galaboda gnanissara /podi hamuduruwo aus colombo einen ersten auftrag erteilt.


schon wieder schleppen
sergej aus witebsk belarus
**************************************************************************************************************************************


und ganz zum schluss erlaube ich mir, allen freunden und bekannten unser spendenkonto www.perspektiven-in-asien.ch  ans herz zu legen.

brigitta franchetti <perspektiven>
zkb thalwil
konto nummer 1149-0072.774, clearing nummer 700, IBAN CH60 0070 0114 9000 7277 4

selbstverständlich gehen alle spenden unkompliziert direkt an die betroffenen. unsere fernostreisen bezahlen wir ausschliesslich aus der eigenen tasche.

__________________________________________________________________________________________________________________________

nachtrag: 

heute, am heilgen abend, erhalte ich eine e-mail von teoh soonhooi, dem in galle kennengelernten chinesischen ingeneur. auf seinem rückflug von colombo nach kualalumpur am 16. dezember hätte er unser chinesisches wasserprojektgirl yun lu jlang aus nanjing kennengelernt. grosse, kleine welt. auf dass das netz immer dichter werde!

teoh mit seiner frau patricia






Montag, 19. Dezember 2011

time to say good bye


an unserem letzten tag in sri lanka hoffen wir sehr, dass das an der südwestküste geplante treffen mit asith und seiner jungen frau sureka auch wirklich klappen wird. jon legt uns beim frühstück allerlei leckereien auf die teller, nicht nur den speck, den er uns mit seinen schilderungen, dank langjähriger erfahrungen als tourismusfachmann, auch durch den mund zieht. er kennt die insel wie seine hosentasche, weiss wo und zu welchen zeiten die grossen zeremonien stattfinden. gespannt und erwartungsfroh fahren wir im tuk tuk an den vereinbarten ort, nahe der town hall. wir sind noch nicht ganz aus dem dreirädigen openair-taxi ausgestiegen, als ich bereits in das lachende gesicht unseres neuen freundes blicke. die beiden sind mit dem zug in der 3. klasse versteht sich, für 55 rupien (45 rappen) angereist. wie vorangekündigt bringen sie uns das von sureka extra für uns von hand angefertigte textilbild, das sie auch noch rahmen liessen, als geschenk mit. erstaunlich, wie exakt sie den dargestellten, farbigen blumenkorb hinter glas angefertigt hat. wir freuen uns sehr über diese geste, auch wenn der heimtransport dadurch etwas erschwert sein wird.


gemeinsam wollen wir diesen tag in der hauptstadt verbringen. asith kennt sich hier gut aus. sureka hingegen war erst wenige male und nur in beschränktem mass in der lärmigen metropole. als ein kind vom land, aus der gegend von ratnapura, da wo die edelsteine geschürft werden, hat sie sich seit tagen auf diesen ausflug gefreut. sie arbeitet als sehr beliebte und viel gelobte näherin in einer riesigen textilfabrik. jeden tag steht sie um 4 uhr auf, kocht den täglichen reis mit curry, den beide zur arbeit mitnehmen, und verlässt das haus um 6 uhr. mit dem firmenbus fährt sie 40 km weit zur arbeit und kehrt erst abends um 7 wieder nach hause zurück -  6 tage pro woche zu einem lohn von umgerechnet 60 franken.

heute wollen wir sie verwöhnen, schliesslich wird sie unseretwegen an den kommenden 74 sonntagen auf asith verzichten müssen. mit ihren langen schwarzen haaren, die ihr bis zum po reichen, wirkt sie sehr zierlich. die beiden haben sich sonntäglich herausgeputzt. asith ist dermassen stolz, uns endlich seine angetraute vorstellen zu können. er hätte sie am 5. august (meinem geburtstag) vor zwei jahren erstmals gesehen, sich in ihr lächeln verliebt und bereits am 23. august hätten sie geheiratet. ein spontanentscheid, den er nie bereuen würde. wir bummeln erst mal in aller ruhe durch die eher ruhigen seitenstrassen rund um das world trade center. in einer kleinen boutique für touristen im alten holländischen spital lade ich sureka ein, sich modeschmuck auszusuchen, so wie das alle jungen frauen auf der welt lieben. sie lässt sich zeit, wägt ab und entschliesst sich für ein paar geschmackvolle, glitzernde ohrstecker und ein armband. die verkäuferinnen sind voll des lobes für uns, weil wir ihr diesen unausgesprochenen traum erfüllen. das sind die momente, wo ich mich für unser privilegiertsein richtig geniere. mit den neu erstandenen, weihnachtlich verpackten juwelen ziehen wir weiter um die häuser. langsam wird die hitze drückend, die abgase und der verkehrslärm lassen uns ermüden. was liegt näher, als mit unserem besuch zum lunch rein in ein grosses, einheimisches restaurant an einer strassenkreuzung, wo’s schattig und kühl ist, um einen marschhalt einzulegen. das grosse büffet mit scharfen fisch- und gemüsegerichten und buntem reis in appettitlichen behältern lädt uns zum schlemmen ein. noch nie hätten sie ein restaurant von innen gesehen, geschweige denn sich an einem büffet selber bedienen können. der vom ober empfohlene dessert, ein luftiger pudding aus jaggery und kokos, schmeckt uns vieren himmlisch. langsam taut sureka auf.


jetzt fussen wir weiter nach pettah, dem orientalischen bazar nahe am grossen hafen. dieses altstadtviertel ist die eigentliche domäne geschäftstüchtiger moslems. ein unübertreffliches gewimmel von buntgekleideten menschen, hupenden autos, schwerbeladenen schmalen handkarren machen ein durchkommen schier unmöglich. strassenhändler, marktschreier, garküchen, gaukler dicht an dicht aneinandergereiht, untermalt von räucherschwaden und muezzinrufen,  – ein geschiebe und geschubste zum schwindligwerden. ein gewiefter muselmane bietet lautstark pulverisiertes rattengift an. weil ich dafür absolut keine verwendung habe schwenkt er um. für nur hundert rupies würde er mir seinen werbespruch ohne stottern herunterleiern, so dass ich diesen als exklusive handy-melodie verwenden könne. selten so gelacht! zum schenkelklopfen, so denn dazu genügend platz vorhanden gewesen wäre. ein wahres, zeitgemässes nischenprodukt. der mann ist sich meines rosafarbenen scheins mit der zahl 100 (80 rappen) sicher. mit hilfe irgend eines technisch begabten freundes werde ich das bestimmt hinkriegen.



der rattenfänger von pettah

1 ps-lastwagen



rush hour in pettah

plötzlich kommt mir in den sinn, dass asith zwingend einen umfassenden diktionär braucht, damit er während seiner weiterschulung, die in englisch abgehalten wird, auch sprachlich mitzukommen vermag. die singhalesische nudelschrift ist mir eh ein grosses rätsel. mitten im gedränge stehen wir auch schon vor einem buchladen, der das gesuchte anbietet. erleichtert und froh  über diese neuanschaffung meint asith, er hätte sonst bei den kindern seines cousins hilfe anfordern müssen. nun sei er ab sofort in der lage, sureka jeden tag zehn englische wörter beizubringen. 

wir fühlen uns von der auslage eines indischen sariladens angezogen. glanz und gloria, so weit unsere augen sehen können. perlenverzierte, auf seide gestichelte motive in allen farben und formen liegen auf den schmalen theken. es glitzert und funkelt. sureka fallen beinahe die kulleraugen aus dem kopf. betuchte, zum teil füllige frauen lassen sich von geschickten männerhänden in meterlange stoffbahnen wickeln. jetzt wühlen auch wir mit. bald einmal schreitet sureka in einem goldbestickten indischen outfit aus der umkleidekabine. sie sieht wunderhübsch aus. asith scheint sich bei diesem anblick grad neu zu verlieben. weil ich gestern im grossen gangaramayatempel nichts gespendet habe, mache ich dies wieder gut, indem wir ihr den stoff aus dem die träume sind  einpacken lassen.


zu viert und mit einigen gefüllten plasticsäcken quetschen wir uns ins nächste tuk tuk, das uns zum galle face green bringt. direkt am meer treffen sich die einheimischen an den wochenenden zum flanieren. kinder und bekopftuchte frauen lassen drachen steigen, man gönnt sich allerlei süssigkeiten, plantscht bis zu den knien in den anbrausenden wellen, picnickt im familienverband auf strohmatten und wartet auf den sonnenuntergang am endlos weiten horizont. an den hochhäusern und hotelfassaden gehen langsam die vielen weihnachtlichen lichterketten an. kitschig geschmückte christbäume, am boden betende muslime, safranfarbene buddhistische mönche, schwarzverschleierte muslimas, dunkelhäutige beschnautzte tamilen, asketische hindus -  ein absolut tolerantes zusammenleben ist hier selbstverständlich. in allen vier wochen unseres hierseins haben wir keine einzige aggressive situation erlebt, weder auf verstopften strassen noch beim anstehen an tempeleingängen oder sonstwo. sri lanka hat sich nach schweren kriegsjahren in ein sehr friedliches land verwandelt.



unser zusammensein beenden wir mit einem nachtessen bei unserem inder. wir bestellen paper-dosas. ca. 40 cm lange, grosse, hauchdünne, knusprige teigrollen, gefüllt mit kartoffelcurry. ein  langer, für alle unvergesslicher tag geht zu ende. bevor asith und sureka den nachtzug nach aluthgama besteigen gönnen wir uns zur krönung ein italienisches gelato im carnival icecreamshop, der direkt vor unserem b&b liegt.





wir erleichtern uns den abschied mit der aussicht, dass wir vier im kommenden august die grosse pehahera - ein tempelfest mit über hundert geschmückten elephanten - in kandy besuchen könnten. big big hugs, ein paar tränen fliessen  – unsere wege trennen sich.

Freitag, 16. Dezember 2011

the more you give, the more you get

weil morgen samstag in colombo ein bedeutendes autorennen in der ohnehin luftverschmutzten millionenstadt abgehalten wird, ist es jetzt nach mitternacht draussen in den strassen immer noch laut und lärmig. beste gelegenheit, meinen zweitletzten blog zu schreiben. wir sind vom unteren in den oberen stock gezogen, um einer ankommenden familie das grössere zimmer abzutreten. shiamaly, jons frau, wird uns dafür bestimmt  mit einem noch leckereren frühstück belohnen.

gestern freitag zogen wir mit einem tuktuk los richtung world trade center. im ostturm im 12. stock befinden sich die büros der expo rail. hinter glaswänden fanden wir den manager, der im zug im hochland den von hansjürg vergessenen feldstrecher mit nach colombo genommen hat. wiedersehen macht freude. in dieser luftigen höhe bedankten wir uns mit einem kleinen taschenmesser-kit von victor inox. eine hand wäscht bekanntlich die andere.




ein paar stockwerke tiefer wollten wir traveller checks wechseln. doch die erste bank konnte nur noten wechseln. weil der manager hier gleichzeitig ein bekannter edelstein dealer ist meinte dieser ganz aufgeregt, ich bekäme jetzt etwas zu gesicht, was nicht vielen beschieden sei. aus einem zerknüllten papier wickelte er einen siebenkarätigen, borlottibohnengrossen sternsaphir aus ratnapura, der im schein seiner taschenlampe mehr funkelte als der weihnachtsbaum am paradeplatz. der dunkle mann mit den blitzenden augen freute sich unheimlich an meinem staunen. geteilte freude ist eben doppelte freude.




das checkeinlösen in der nächsten, sehr modern ausgestatteten bank dauerte seine zeit. nach dreiviertelstunden langem überprüfen der echtheit erhielt ich das gewünschte bündelchen rupies, allerdings zum weit niedrigeren tageskurs als am anfang unseres aufenthaltes. wir bummelten durch das alte holländische spital, wo die hipsten boutiquen und cafés einzug gehalten haben. langsam aber sicher wird nach den wirren kriegsjahren in die alten gebäude aus vergangener blütezeit investiert und schützenswertes wird restauriert. so traten wir in einen sicher hundertjährigen chinesischen laden ein. in verstaubten vitrinen fanden wir bemalte, lädierte gipsfiguren und kleine silberanhänger sowie ein spiel aus knochenstäbchen. der besitzer, ein dienstfreudiger mann, konnte kaum verstehen, dass sein plunder bald schon westwärts fliegen wird.




wieder draussen begegneten wir einem seltsamen trio. einem kleinen, verdreckten jungen an der hand seines vaters, der als muslim ein schräges käppi auf dem kopf trug. und dieser wiederum schob seinen alten vater, dessen nackte füsse so was von verkrüppelt waren, in einem rostigen rollstuhl vor sich her. allerdings stockte das mit einem defekten plasticstuhl aufgemöbeltes gefährt auf der holprigen strasse, weil der velopneu des linken rades total abgenutzt und somit keine luft mehr im reifen war. was für ein jämmerlicher anblick! ich bat einen gepflegten mann mir meine fragen zu übersetzen. nach eingehenden versprechungen des sohnes, dass er in pettah, dem muslimischen bazarviertel, einen ersatzreifen erstehen könnte, händigten wir ihm das notwendige geld aus. für zwölf franken wird der rollende untersatz wieder flott gemacht. das geht zulasten der topfkollekte der heilsarmee auf der zürcher bahnhofstrasse. uns beiden werden zum dank die hände mehrmals geküsst. ein junger mann, der uns beobachtete meinte, wer weiss, was uns im nächsten leben erwartet.



vorbei zwischen dem flachen meeresstrand und einem kleinen see voller pinkfarbenen flamingos fuhren wir wiederum im offenen tuktuk entlang den grossen hotels und den alten botschaftsgebäuden der kolonialmächte in einen südlicheren stadtteil. auf der terrasse des galle face hotel, wo 1890 der russische schriftsteller anton chekhov ein- und ausging, warteten wir bei einem cocktail auf den sonnenuntergang, der uns wegen aufziehender wolken leider nicht vergönnt war. so beobachteten wir anstelle das treiben eines kindergeburtstages. das achtjährige mädchen aus der oberschicht wurde mit einem stapel von geschenken eingedeckt. ich musste dauernd an die kinder in den teahills denken. hüben wie drüben gilt wohl die devise ‚lieber gesund und reich als arm und krank’.

jon hat uns am frühstückstisch empfohlen, nach dem einnachten den gangaramaya tempel aufzusuchen. es lässt sich kaum beschreiben, was wir hier wahrnehmen durften. endlich hatte ich die gelegenheit, meine mitgebrachten dünnen wachskerzen aus ikaria im andenken an maura bei den vielen öllampen anzuzünden. andächtig schlenderten wir durch unzählige räume. in einer oberen halle hörten wir, wie eine lautstarke stimme vermutlich einen vortrag hielt. später erfuhren wir, dass namhafte politiker der oppositionspartei zu mutigen taten gegen die ungerechtigkeiten im system aufgerufen wurden. stets aufs neue erstaunte mich, wie innig vor allem die männer hier beten. und so schritten auch wir sieben mal um den grossen bodibaum mit den herzförmigen grünen blättern, dem baum unter dem buddha einst seine erleuchtung erfuhr. dabei wird aus kleinen stahlbechern kühles wasser den wurzeln zugeschüttet. ich war tief ergriffen was zur folge hatte, dass mich grosses heimweh nach maura überfiel. ich liess meinen tränen freien lauf. eine frau öffnete geschickt die blütenblätter einer pinkfarbenen lotosknospe und legte sie mir in die hände. wie konnte sie nur wissen, dass wir mauras asche vor mehr als fünf jahren mit vielen aus thailand eingeflogenen lotosblüten dem wasser der limmat und somit dem kreislauf der natur übergaben? sind das die unerklärbaren zufälle? lange lauschte ich dem gesang einer betenden frau.



eine gruppe chinesischer männer traten vor einen älteren mönch. wir taten es ihnen gleich und liessen uns auf den knien segnen. ich wurde nach meiner herkunft und meiner momentanen traurigkeit gefragt. der weise mann tröstete mich mit seiner überzeugung, das es meiner tochter jetzt gut gehe. den chinesen und uns wurde von einem grossgewachsenen mönch eine juwelenbesetzte krone kurz aufs haupt gelegt. ein mann stellte sich uns als der stellvertetende arbeitsminister vor. ob wir wissen, welche ehre uns soeben zuteil geworden sei. der alte mönch sei podi hamuduruwa, der ranghöchste, vielverehrte würdenträger von sri lanka. und schon ertönte seine lachende stimme über die köpfe hinweg, die mich an den dalai lama erinnerte:  ‚switzerland woman, come and drink tea with me’. er liess goldumrandete tassen bringen und bewirtete mich wie einen ehrengast. jetzt erzählte er mir von seinem wirken, wie er das gespendete den armen zukommen lässt. 


audienz bei podi hamadurowo


sein grosses, über die ganze insel verteiltes hilfswerk ist in einem buch festgehalten, das er mir als sein persönliches geschenk in die hand drückte. für einmal war ich sprachlos! sein assistent notierte alle daten von maura, david und aron. eigens für sie würden sie eine fürbitte abhalten. ‚gib mir deine mail-adresse, so dass ich dir  nach getaner arbeit diesen trost mitteilen kann’. das charisma dieses asketischen mannes mit neuzeitlichem denken erfüllte den ganzen tempel mit grossem frieden. sein in mein ohr geflüsteter rat: ‚halte deine augen offen, hilf wo immer du kannst, kämpfe gegen die ungerechtigkeiten an, mache es so wie ich und du wirst glücklich sein. zum sterben brauchst du nichts anderes.’ erst im guesthouse sehe ich im erwähnten buch, bei welcher koryphäe mir diese audienz vergönnt war. ob der präsident von si lanka, mahinda rajapaksa, bei der kürzlich erfolgten geburstagszeremonie ebenfalls mit dem meister tee  aus güldenen tassen trinken durfte, geht nicht aus dem reich bebilderten werk hervor. ich fühle mich mehr als nur geehrt. 
der alte mann im rollstuhl und ich sind wohl gleichermassen glücklich heute nacht.


sri lanka at its best


bevor wir das hochland richtung colombo verlassen , machen wir einen abstecher  zum buddhistischen felsenkloster in aluvihara. ein junges hochzeitspaar in hochglanzmontur ist dabei, sich an diesem heiligen ort ablichten zu lassen. uns interessiert vor allem die palmblattbibliothek. der museumswächter erklärt uns leidenschaftlich das vorgehen aus vielen hundert jahrern. die abgefallenen. dürren palmenblätter werden erst eingeweicht, dann gekocht, bevor sie über bambusstangen gezogen glatt poliert werden. nach dem exakten zuschneiden wird laufend die geschichte buddhas mit spitzen metallpfeilen eingeritzt. damit dies später auch lesbar ist, wird mit einem tampon kohle über die schriftzeichen geschmiert, das blatt mit reismehl gereinigt. von nun an ist dieses zeugnis jahrhundertelang haltbar.


schreibutensilien in der palmblattbibliothek

auf dem rückweg nach kandy unterlassen wir es nicht, den grossen hindutempel in matal zu besuchen. der grosse kegelartige, elfenbeinfarbige turm ist voller reliefs. im innern des farbigen tempels ist eine mittagsandacht im gange. auf einer riesigen schalmei untermalt ein begnadeter musikant die zeremonie. uns muten diese klänge wie modern jazz an. ganz ergriffen werden wir in die kommunion mit einbezogen. auch wir werden mit dem lodernden feuer des priesters gesegnet. erhalten farbige tikkas auf die stirne gedrückt, ein löffel voll von krishnas milch in die geöffneten hände gegossen (und ein paar tropfen über die kamera). hier begegnen wir ein zweites mal einem auffallenden japaner, der uns spontan begrüsst. seinem aussehen nach vermute ich, dass er ein professioneller fotograf ist, was er auch lachend bestätigt. seine einladung, ihn in tokyo zu besuchen könnte folgen haben.


ausschnitt aus dem grossen turm


der absolute höhepunkt des heutigen letzten reisetages soll das waisenhaus der elefanten in pinavela werden. die happige eintrittsgebühr kommt der des zürcher zoos gleich, mit dem unterschied, dass hier gar keine häuser oder hallen stehen. auf prärieartigem gelände weiden sicher 50 elefantenkühe mit ihren jungen frei, währenddem die bullen zur sicherheit fussketten tragen. die mahuds ermuntern uns, tuchfühlung mit den dickhäutern aufzunehmen. hansjürg erweist sich überraschend als mutig. der koloss mit namen raja ist erblindet. ihm wurde von elfenbeinjägern in die augen geschossen. er geniesst die kontaktaufnahme sichtlich, vielleicht weil er merkt, dass der mann an meiner seite ohne brille auch nicht viel sieht. ein winzling von rüsseltier säugt bei seiner mutter. die von eingetrocknetem schlamm mehr braun als grau erscheinende herde, ausschliesslich aus weiblichen tieren bestehend, ist ein homogenes gefüge, das sich in wiegenden bewegungen zeitlupenartig verschiebt. rüssel an rüssel – hier wird also gerüsselt. wir zuschauenden werden hinter einen zaun gebeten, weil jetzt die zeit des täglichen bades im nahen fluss ansteht. dazu wird artig in reih und glied eingestanden, wie bei einer schulreise. die vorfreude ist spür- und sichtbar. abmarsch, fertig, los. torkelnd, ja beinahe hüpfend stürmen die urtiere mit hilfe eines verkehrspolizisten über die strasse runter ins kühlende nass. was für eine gaudi! das plantschen bereitet riesiges vergnügen. klar, dass der tee auf den terrassen der restaurants für uns begeisterte zuschauende das vierfache des üblichen kostet.


dicke frauenkommune

mit diesen einmaligen bildern im kopf fahren wir richtung colombo. plötzlich erspähen wir durch das rückfenster den kopf eines ausgesuchten exemplars auf einem hölzernen lastwagen stehend. könig babar wird  zum dorftempel gekarrt, ein bild als wäre ganesh aus der götterwelt in die irdische realität herabgestiegen.

ganesh auf reisen
kurz vor dem eindunkeln finden wir trotz riesigem verkehrstau in einer ruhigen kleinen sackgasse, einer seitenstrasse der grossen galle road unser letztes domizil. jonathan, ein strahlender, weisshaariger colombianer und seine frau shyamali erwarten uns bereits. der geschmückte christbaum im eingang erinnert uns an die bevorstehenden weihnachtstage. wir verabschieden uns von rohan und bedanken uns für sein sicheres chauffieren. ein riesiges zimmer im untergeschoss mit neu erstelltem badezimmer garantiert uns ruhe und musse fürs aufarbeiten der erlebnisse unserer abenteuerreise. den vollen tag beenden wir im indischen vegi-restaurant dosa king direkt über der vierspurigen galle road. 

Donnerstag, 15. Dezember 2011

tee und spiritualität

‚er hat tee in sich’ so nannte man schon im altertum einen weisen mann. heute werden wir lernen, wie das goldene getränk, der legendäre ceylontea, in die tassen in aller welt gelangt. auf dem weg zur teefabrik mackwoods sehen wir die teepflückerinnen mit ihren säcken und hutten auf dem rücken, wie sie an den steilhängen auf 2000 metern barfuss ihre mühsame arbeit verrichten. weil ich einen alten, indischen tempel erblicke, machen wir auf der anhöhe kurz halt. es ist kalt und windig. auch regnet es leicht. hier ist tamilisches wohngebiet. aus einer siedlung von grauen häuschen kommt eine dunkle frau um die ecke. mit gesten zieht sie uns mit sich in ein niedriges haus voller lärm. es ist die fabrikeigene kinderkrippe, in der es rappelt wie in einem ameisenhaufen. die frau scheint die leiterin zu sein. etliche schwarze kinderaugen schauen uns erstaunt und neugierig an. in einem raum hängen viele baumwollsaris zu hängematten geknotet, wo babies zum schlafen gelegt werden. die kleinen fenster sind vergittert. in der küche hackt eine am boden kauernde frau grünzeug. eine schale mit eingeweichten kichererbsen wird aufs offene feuer gesetzt. wir lassen die allerletzten kinderkleider hier, spenden etwas fürs essen der kinder. eine ziemlich ausgemergelte mutter hat ihr kind auf den armen. es ist leicht zu erkennen, dass dieses unterernährt ist. wohl eines von vielen, auf die keine rosige zukunft wartet.


daycare in den teehügeln

kalt, karg und ungemütlich



wenige hundert meter unterhalb steht ein grosses fabrikgebäude. der britische schiffskapität william mackwood hat sie im jahr 1841 gegründet. seither arbeiten hier über tausend tamilische frauen und männer, anscheinend zu fairem lohn, was immer das heissen mag. hintenrum wird von hungerlöhnen und ausbeutung gesprochen. die pflückerinnen haben ein bestimmtes tagesgewicht abzuliefern, was grossen druck erzeugt. bei wind und wetter stehen sie ohne schuhwerk in den steilen hängen. 


teepflückerin


nur die obersten zwei zartgrünen blätter und die winzige schlanke knospe werden mit flinken fingern vom busch abgezwackt. die restlichen doch eher harten dunkleren blätter fallen irgendwann vom busch und werden so automatischen zu dünger. geerntet wird das ganze jahr über. während 5 jahren liefert der teebusch dieses grüne gold. danach wird er abgeholzt und durch neue sprösslinge erstetzt. nach 3 jahren kann die neue ernte wieder eingeholt werden. auch das britische königshaus wird seitjeher mit dem tee aus diesen hügeln beliefert. i am very amused! eine sehr charmante frau führt uns durch das fabrikareal, erklärt uns ausführlich den ganzen prozess vom gepflückten teeblatt bis zum edlen getränk, das wir anschliessend aus feinstem royal china trinken. jetzt verstehe ich endlich auch die begriffe b.o.p.- ‚broken’ weist auf die zerkleinerung der getrockneten blätter, ‚orange’ auf die goldene farbe hin und ‚pekoe’ schlussendlich heisst nichts anderes als eben tee. jegliche qualität stammt vom ein und demselben busch, also auch der bei uns so beliebte grüntee, der nicht dem fermentierungsprozess unterliegt. der edelste und absolut teuerste, rare tee enthält ausschliesslich die innere, zarte knospe. er wird weiss- oder goldtee genannt, wächst in entlegenen gebieten im hinterland und kostet in der tat ein vermögen, ähnlich dem echten safran. und hier erhalte ich auch die bestätigung meiner behauptung, dass in den teebeuteln immer die allerschlechteste qualität auf den markt kommt. zwar erzeugt dieser staub, der rest vom rest, immer noch eine stark dunkle farbe, hat aber auf dem weg der mehrfachen bearbeitung beinahe alles von der seele des teeblattes verloren. im weihnachtlich geschmückten fabrikladen decken wir uns mit hübschen verpackungen aller sorten ein. jetzt hat auch frau tee in sich.


emblem für teeknospe auf dem tisch

von nun an geht’s bergab richtung kandy, sri lankas letzter königsstadt. die gut 1500 höhenmeter differenz beim abstieg bewältigen wir ohne knieprobleme. rohan bringt uns zu unserem hotel auf einer anhöhe über dem see. beim einchecken werden wr angewiesen, die balkontüre stets geschlossen zu halten, weil ganze affenhorden aus dem nahen dschungel hier überfälle verüben. das zeigen die vielen spuren entlang der hausfassade. ups. 


im tuktuk fahren wir runter in die stadt. hier herrscht grossstadtleben. es heisst, dass die einwohner von kandy sich vornehm fühlen, sich den tamilen und muslimen gegenüber eher überheblich verhalten. weil hansjürg anrufe auf dem in galle gekauften neue handy nicht entgegen nehmen kann und er meint, er hätte damit ein srilankisches montagsei gekauft, suchen wir hier einen entsprechenden händler auf. schon bald zeigt sich, wo der hund begraben ist. anstatt mit dem finger auf dem display zu blättern, hat hj unentwegt seinen rechten zeigefinger auf das grüne symbol des hörers gedrückt. tja, nicht immer sind bewohner aus dem westen denjenigen aus der sogenannten dritten welt überlegen. der clevere angestellte fühlt sich zu recht auf der überholspur. lacher auf beiden seiten über die tapsigkeit des neuen besitzers!!


 in einem offenen restaurant stillen wir unseren hunger. mit allerlei gemüse gefüllte rotis sind eine scharfe gaumenfreude. mit zwei plastic-chips begebe ich mich an den tee-automaten, der nicht mechanisch, sondern ganz und gar menschlich funktioniert. hinter dem schalter steht ein beschnauzter älterer mann, der es mit jedem barkeeper aufnehmen könnte. in einem verbogenen massbecher aus alu mixt er erst pulvermilch und schüttet dann in hohem strahl das einheimische gebräu in die beiden tassen. jetzt muss aber auch noch ein süsses stück icecake auf den teller, ayurveda hin oder her. die totale summe: umgerechnet fr. 1.90.




nach dem anschliessenden sightseeing zu fuss, vorbei an der grossen moschee, heruntergekommenen häuserfassaden aus der glanzzeit, schreienden gemüsehändlern und losverkäufern landen wir bald einmal in einer traditionellen bar aus der kolonialzeit. mit etwas hochprozentigem, mit gingerale aufgegossenem zur verdauung hängen wir im innenhof, wo bereits wieder die nacht anbricht. bald aber ist es zeit für die abendliche zeremonie im tempel der zahnreliquie. hier wird ein zahn von lord buddha verehrt. von weit her dröhnen die harten schläge der tablas. erst einmal die schuhe abgeben, dann geht’s mit den meist weiss und festlich gekleideten einheimischen durch viele verschlunge treppen ins innere. was unsere augen erblicken übertrifft alles bisher gesehene an kirchen und kathedralen. es riecht nach weihrauch und duftet nach jasmin. die menschen mit ihren wachen, dunklen augen schenken uns stets ein lächeln, heissen uns an jeder ecke willkommen.


weiss ist die farbe der kleider beim tempelbesuch


ein alter tempeldiener segnet uns, murmelt beim umbinden der weissen schnur ums handgelenk ein gebet und zerrt uns eilends um die vielen säulen zum aufgang in den oberen stock. hier stehen die menschen am eingang zum heiligtum, der zahnreliqie buddhas,  hinter reich verzierten toren schlange. trommelrhythmen, flötenklänge und dieses gemisch von gerüchen versetzen uns schier in trance, machen uns vollends betrunken. hüpfende kinder, schlafende babies, humpelnde alte, in sich versunkene betende – und yasmin, lotos, wasserlilien wohin man blickt. wie steif wirken dagegen unsere heiligabendgottesdienste. wir haben unser eigenes weihnachten hier dankbar leicht vorgezogen.

Mittwoch, 14. Dezember 2011

der 13.


kalender im stationsbüro 


der 13. ist definitiv unser glückstag. am kleinen bahnhof von ella erfahren wir über rohan ‚secretly’, dass der eigentliche aussichtswagen heute mit einer sensationellen neuheit auf dieser zugsstrecke ersetzt worden sei. für nur 1000 rupies, ca. 8 franken pro person, dürfen wir als erste gäste zusteigen - wir flüstern dies einem deutschen paar zu, das ebenfalls im sky green übernachtet hat. mit viel getöse kommt die alte lok um die ecke angeschnaubt. der neue wagen der expo rail, direkt hinter der uralten diesellok, entpuppt sich als ein wahres schmuckstück. flugzeugbestuhlung, flachbildschirme an der decke, gepäckaufbewahrung und nur wir vier touristen. zwei perfekt bekleidet kellner in anzug und krawatte sind auf der stelle um unser wohl besorgt. schon steht ein tablett mit tee und bisquits vor unseren nasen und selbstverständlich auch eine flasche wasser. die aussicht ist atemberaubend. es lässt sich kaum beschreiben, wie zauberhaft sich die panoramareiche landschaft hier präsentiert. währenddem wir aus weissem porzellan feinsten fist flush mit milch und zucker schlürfen, tanzen die teesträucher in sattem grün an unseren augen vorbei. dazwischen kleine lücken, so dass die dunkelhäutigen tamilinnen jeden frühen morgen in mühseliger handarbeit die obersten blätter pflücken können. und immer wieder sichten wir exakt ausgerichtete gemüsebeete. hier würde vermutlich auch ein in die rote erde gesteckter zahnstocher spriessen.


in bella ella
vor der bordküche sitzt ein attraktiver mann an seinem laptop. selbstverständlich bietet dieser wagen wifi an. wir beide unterhalten uns intensiv über den aufstrebenden tourismus und das harte leben der arbeitenden bevölkerung. weil ich der railway company gerne eine rückmeldung über unseren heutigen glückstreffer machen will, bitte ich ihn um eine mail-adresse. lachend meint er, er sei der mitreisende projekmanager,der erst mal überprüfen will, wie dieses angebot überhaupt ankommt. nur zu gerne sind wir versuchskaninchen.von ihm erfahren wir, dass wir bald einmal die passhöhe von 6226 feet erreichen würden, was an die 2000 meter über meer bedeutet. die zahl des höchsten punktes lässt sich sinnigerweise von beiden seiten gleich lesen. wir durchfahren etliche kleine tunnels. pryankara dharmasena fragt, ob wir beim nächsten halt vorne in die alte lok umsteigen wollen. was für ein angebot! im nu stehen wir beide für den rest der reise im führerstand aus der pionierzeit. welch ein kontrast. der kopilot bietet mir seinen abgewetzten sitz an. es riecht stark nach diesel. ich fühle mich wie jim knopf aus dem bilderbuch. der lokführer ist ein herzlicher, gepflegter mann in frisch gebügeltem hemd, mit einer kecken schirmmütze auf dem kopf. seit 28 jahren fahre er die strecke in dieser, seiner lokomotive. er schwärmt vom glacier express, den er auf bildern gesehen hätte. mit hansjürg fachsimpelt er über die alte, faszinierende technik. er bietet mir an, langsamer zu fahren, wenn ich aus dem offenen fenste fotos machen wolle. auch nimal perera (ein name aus der portugiesischen zeit) will unbedingt mit uns in mail-kontakt bleiben. das ist gelebter interkultureller austausch. er kritzelt uns seine koordinaten auf einen abgerissenen fetzen papier während er gleichzeitig mit voller wucht die laute signalhupe bedient. nur gut, dass wir auf schienen fahren. bei unserem nächsten sri lanka-besuch garantiere er uns freikarten. ein grund zur rückkehr. leider ist das grosse abenteuer in nanuoya vorbei. die verabschiedung von der gesamten crew ist berührend herzlich.


mit nimal im führerstand
rohan fängt uns hier wieder auf und bringt uns nach kurzer fahrt ins hotel nach nuwara eliya. nach einem power nap stürzen wir uns ins getümmel im ort. vorsorglich mit pullover, jacke und halstuch, sind wir hier doch auf 1800 meter höhe. weil unser hotel keinen internetanschluss hat suchen wir einen internet shop auf, der mit allerneuster technik ausgerüstet ist. nur das passwort für den zugang von meinem netbook aus ist im moment nicht auffindbar. der chef sei grad im nahen hindutempel am beten. das chanten ist bis hierher hörbar. ein kurzer handyanruf löst aber dieses problem im nu, sodass ich meine vielen bilder übertragen und den allerneusten report in meinen blog stellen kann.


viel spass beim lesen!


Dienstag, 13. Dezember 2011

landeinwärts

dass ich heute liebend gerne in meinen faserpelz schlüpfen würde, das hätte ich nicht gedacht, als mir der schweiss auf dem weg zu der bedeutenden pilgerstätte kataragama nur so an mir herunterlief. jetzt sitze ich beim eindunkeln auf der kleinen terrasse des sky green hotels in ella, dem einstigen britischen höhenkurort, auf 1100 m.ü.m. beim letzten stück auf der stark ansteigenden, kurvenreichen strasse prasselte starker regen aufs autodach. von hier oben überblicke ich das weite tal, umgeben von bergformationen die im schatten seltsam anmuten. weisse nebelschwaden wie kapokwatte ziehen an den regenwäldern vorbei. die feuchte luft duftet würzig. das rasseln des einfahrenden zuges tönt zu uns hoch. auch das rauschen des gegenüber liegenden wasserfalls. rohan versucht für uns tickets zu besorgen, so dass wir das morgige teilstück mit der bummelbahn durch die teehills tuckern können.
nacht und nebel kriechen hoch
in katagarama fielen uns die vielen am wegrand kauernden, bettelnden alten auf. blinde, lahme, ausgemergelte menschen. väter und mütter mit ihren kindern trugen prallgefüllte opferkörbe und sträusse aus lotos und wasserlilien zur segnung in den vortempel. an einem der vielen stände kaufte ich ebenfalls offene lotosblüten, die ich mit guten gedanken an maura zu den vielen anderen opferblumen legte. ein mönch segnet uns, indem er uns gegen ein paar rupien ein geknotetes band ums rechte handgelenk band. fasziniert hatte mich das ritual einer art beichte. dazu wird eine winzige wachsscheibe auf eine kokosnuss gesetzt und bei brennender flamme und voller konzentration um vergebung aller untaten gebeten. damit dieses ansinnen auch erhöht wird, muss die kokosnuss nach dem erlöschen der flamme mit voller wucht auf einen grossen stein geschmettert werden. gelingt dies hat sich alles vergangene in nichts aufgelöst. einmal mehr beeindruckte mich die innigkeit bei der ausübung dieses vorgangs. der buddhismus schreibt keinem vor was richtig oder falsch ist. der einzelne entscheidet selber, welchen weg er im leben gehen will.

innige fürbitte

keiner zu klein andächtig zu sein
etwas ausserhalb hielt rohan den wagen an. hier hausten in bescheidenen, baufälligen unterkünften junge mütter mit ihren kindern. das war auch der ort, wo wir die restlichen baby-, kinderkleider und sandalen an die erstaunten frauen verteilten.

des kaisers neue kleider?
anschliessend fuhren wir auf einer schmalen strasse, gesäumt von fruchtbaren bäumen und sträuchern – papayas, avocados, mais, grünem pfeffer, cashew, bohnen, tabak, ladyfingers, tomaten, kohl, lauch, randen, chili, rettich, zwiebeln, tamarinden, knoblauch, broccoli, taro, kaffee, kautschuk, reis, maniok, koriander, zimt, rambutan, mangosteen, ananas, jackfruit, eukalyptus, teak, cashew– zu den felsenbuddhas von buduruvagala. in dunklen fels gehauen blickten die unterschiedlich grossen figuren auf uns kleine menschen herab. ausser einer jungen familie waren wir die einzigen besuchenden. schokoladefarbige schmetterlinge tanzten um uns herum. ein ort des friedens.

wie klein wir menschen doch sind
unseren mitgereisten curd verspeisten wir auf schattigen stühlen im kleinen dorfladen. weil das unser asketisches mittagessen war, angereichert mit ein paar trockenen kokoskeksen, freue ich mich jetzt umso mehr auf das nachtessen hier hoch über den wenigen lichtern von ella. von der küche her duftet es wunderbar spicy, von den ästen des frangipanibaumes betörend süss. auf zum sinnlichen geniessen, bevor uns die kälte ganz in die müden knochen kriecht!





Montag, 12. Dezember 2011

arche noah gestrandet



yun lu jilang


als wir vom morgendlichen rundlauf zu khalid'is zurückkomen, sitzt das chinesische wasserkraftgirl mit namen yun lu jilang bereits mit sack und pack abfahrbereit auf dem bänkchen.  der schmächtige jüngling aus den bergen, der hier als wachmann angestellt ist, fugt unser gepäck nach unten. er hat beide nächte pflichtgetreu vor unserer zimmertüre geschlafen. sein ganzer besitz besteht aus ein paar alten t-shirts und toilettensachen, die ihm touristen zurückgelassen haben. fast beneide ich ihn um diese bescheidenheit.


hab und gut in bescheidenem ausmass


vor unserem haus spricht mich ein bärtiger, muslimischer mann an. er will wissen, wie gut es mir hier im schönen galle gefällt. als ortsbekannter edelsteinhändler, der auch mit fernen ländern handel treibt, bietet er mir seine wohnung an, falls ich ein weiteres mal hier station machen möchte.


shaffy authad
rohan holt uns pünktlich ab. wir fahren vergnügt mit der nicht blinden passagierin an traumstränden der südlichen küste entlang gen osten. beim frühstückshalt wird uns thunfisch in curry mit linsen und süssem brot aufgetischt. unsere mitreisende entpuppt sich als eine interessierte und neugierige gesprächspartnerin. sie will von mir mindestens so viel wissen wie ich von ihr. so erfahre ich vieles über das alltagsleben in china. schnatter, schnatter - mehr als ein small talk.


auf der weiterfahrt besuchen wir erst eine seidenmanufaktur. rohan hofft wohl auf kommission. weil wir dies jedoch von laos her gut kennen, verlassen wir diese touristenfalle eilends wieder. interessanter wirds dann aber in einem bedeutenden, buddhistischen tempel, wo uns ein führer durch ein labyrinth von wand- und deckenmalereien schleust. das ganze leben von lord buddha und noch viel mehr kann man hier worttlos wie aus comiczeichnungen ablesen. dabei erinnere ich mich an die farbigen bildli der sonntagsschule von einst. am ausgang wird uns wir eine heilige blume, eine duftende blaue wasserlilie in die hände gedrückt. yun lu ist entzückt!

der nächste halt wird bei einer alten freundin von rohan eingeschaltet. in ihrem nicht sehr appetitlichen laden präsentiert sie in irdenen flachen töpfen den hier so begehrten curd, ein quark aus wasserbüffelmilch. wir drei putzen ratzekahl eine schale aus, giessen zum süssen laufend frischen palmblütenhonig über die schneeweisse köstlichkeit. und natürlich schwatzt uns rohan einen weiterer topf zum mitnehmen auf. geschickt wickelt die frau das ganze in zeitungspapier und verschnürt es mit einem strang des hier üblichen sissal. bald einmal haben wir uns von yun lu zu verabschieden, aber nicht ohne den obligaten austausch von allerlei adressen. hansjürg will sie an die eawag in dübendorf vermitteln, wo sie vielleicht einen praktikumsplatz ergattern könnte.

wir erreichen das hibiscus garden hotel am rande des urwalds just in time. und hier wartet auch schon ein uralter, ausgedienter jeep auf uns. der junge fahrer, ein rastafan mit aufgeklebten bob marley-bildern im innern des vehikels, und wunderschön schwarzglänzendem langen haar, sieht aus wie ein indianer. mit ihm ziehen nur wir beide auf der ladefläche los richtung yala-naturschutzpark. am fluss entlang der grossen dagoba baden jung und alt im erfrischenden nass, weil man sich vor dem opfern gründlich reinigen muss. die strasse ist voller schlaglöcher, wir werden tüchtig durchgeschüttelt, was uns eine qi gong-übung erspart. nach dem bezahlen der eintrittsgebühr in den park geht die fahrt auf verschlungenen, ockerfarbigen pisten durch traumhafte landschaften. gleich zu beginn entdecken wir einen baum voller affen mit langen herunterhängenden schwänzen. weiter zeigen sich in freier natur und wildbahn:



silberreiher, buntstörche, papageien, eisvögel, bienenfresser, weisskopfadler, kormorane, wildenten, pfaue, wiedehöpfe, hornschnäbel, pelikane, löffelreiher, rehe, hirsche, hasen, landwarane, krokodile, wildschweine,wasserbüffel, chamäleone, fliegende käfer, hühner. alle in friedlichem nebeneinander. 


in mir summt das lied aus der kindheit:


Ein Vogel wollte Hochzeit machen in dem grünen Walde. (Refrain: Fiderallala, Fiderallala, Fiderallalalala)
Die Drossel war der Bräutigam, die Amsel war die Braute.
Der Sperber, der Sperber, der war der Hochzeitswerber.
Der Stare, der Stare, der flocht der Braut die Haare.
Die Gänse und die Anten, die war'n die Musikanten.
Der Uhu, der Uhu, der bringt der Braut die Hochzeitsschuh’.
Der Kuckuck schreit, der Kuckuck schreit, er bringt der Braut das Hochzeitskleid.
Der Seidenschwanz, der Seidenschwanz, der bracht’ der Braut den Hochzeitskranz.
Der Sperling, der Sperling, der bringt der Braut den Trauring.
Die Taube, die Taube, die bringt der Braut die Haube.
Der Wiedehopf, der Wiedehopf, der bringt der Braut nen Blumentopf.
Die Lerche, die Lerche, die führt die Braut zur Kerche.
Brautmutter war die Eule, nahm Abschied mit Geheule.
Der Auerhahn, der Auerhahn, der war der stolze Herr Kaplan.
Die Meise, die Meise, die singt das Kyrie leise.
Die Puten, die Puten, die machten breite Schnuten.
Der Pfau mit seinem bunten Schwanz macht mit der Braut den ersten Tanz.
Die Schnepfe, die Schnepfe, setzt auf den Tisch die Näpfe.
Die Finken, die Finken, die gaben der Braut zu trinken.
Der lange Specht, der lange Specht, der macht der Braut das Bett zurecht.
Das Drosselein, das Drosselein, das führt die Braut ins Kämmerlein.
Der Hahn, der krähet: „Gute Nacht“, nun wird die Kammer zugemacht.
Der Uhu, der Uhu, der macht die Fensterläden zu.
Die Vogelhochzeit ist nun aus, die Vögel fliegen all’ nach Haus.
Das Käuzchen bläst die Lichter aus und alle ziehn vergnügt nach Haus.



nur weit und breit kein elefant in sicht. es mag daran liegen, dass heute, weil sonntag und schuljahrende ist, auch viele einheimische familien in jeeps unterwegs sind und somit reger betrieb herrscht. ein jedes tier ist in seiner farbe dem baum, dem strauch oder der felsformation angepasst. die vielen eleganten pfauenmännchen bieten uns eine wahre balletaufführung, die allerdings die angebeteten weibchen eher kühl lassen. 'komm in zwei wochen wieder' meint unser fahrer stellvertretend für die angehenden bräute. es zwitschert und pfeift aus jedem gebüsch, die luft ist geschwängert von süssen gerüchen, und da liegen doch wahrlich und prlötzlich vor uns auf dem weg grosse, sehr grosse häufchen dung. jetzt wird unser führer zum wahren helden, indem er dranbleibt wie der tages anzeiger. nach etwa drei stunden suchen und spähen sehen wir aus einiger entfernung drei graue kolosse inmitten von weidenden wasserbüffeln. wir sind ja immer noch auf der sicheren seite, doch das soll sich bald ändern. mir stockt der atem, als wir nur wenige meter von unserem wagen entfernt etwas massiges zwischen dichtem blätterwerk sich auf uns zu bewegendes wahrnehmen. und wie das finale bei einem feuerwerk geht der dschungelvorhang auf. es fehlt nur noch der paukenschlag. in voller grösse schreitet in würdigen schritten ein tonnenschwerer elefantenbulle auf uns zu, im rüssel einen ast schwingend. mein herz rast wie wild. fast meine ich, mein letztes stündchen hätte geschlagen. doch mit einer grazie, die ihresgleichen sucht, überholt er uns und trottet dann gemächlich ins dickicht auf der anderen seite unseres pfads. war das jetzt echt oder bloss eine fatamorgana? wir fühlen uns durch dieses einmalige erlebnis reich beschenkt.




seine majestät himself
ein stück weiter steht am wegrand eine gruppe von leuten. zwei familien mit ihrem spindeldürren fahrer können nicht weiterfahren. ihr jeep hat seinen geist aufgegeben. was liegt näher, als dass wir ihnen gastrecht in unserer karre anbieten. vollgeladen holpert es weiter runter ans meer. hier steht ein eindrükliches denkmal für die tsunamiopfer. 47 menschen, alle in jeeps auf safari unterwegs, hätten hier ihr leben verloren. nur zwei japaner, die sich der gefahr damals bewusst wurden, seien auf den grossen elefantenfelsen geklettert und hätten als einzige überlebt. nicht ein einziges tier im park sei umgekommen. in diesem moment geht ein grosser regenboden am himmel auf. kurze zeit später senkt sich die nacht über das paradies.


ein zeichen der hoffnung




mit viel unterhaltung und lachen fahren wir alle durch die dunkle nacht den langen weg zurück. unser jeep hat nur ein winziges licht – ein heiliges öllämpchen vielleicht?

der yalapark mit all seinen unterschiedlichen, vielfältigen bewohnern ist ein vollkommenes wunder der natur. ich denke, dass noah nach dem tsunami hier seine arche hat stranden lassen.