Freitag, 16. Dezember 2011

the more you give, the more you get

weil morgen samstag in colombo ein bedeutendes autorennen in der ohnehin luftverschmutzten millionenstadt abgehalten wird, ist es jetzt nach mitternacht draussen in den strassen immer noch laut und lärmig. beste gelegenheit, meinen zweitletzten blog zu schreiben. wir sind vom unteren in den oberen stock gezogen, um einer ankommenden familie das grössere zimmer abzutreten. shiamaly, jons frau, wird uns dafür bestimmt  mit einem noch leckereren frühstück belohnen.

gestern freitag zogen wir mit einem tuktuk los richtung world trade center. im ostturm im 12. stock befinden sich die büros der expo rail. hinter glaswänden fanden wir den manager, der im zug im hochland den von hansjürg vergessenen feldstrecher mit nach colombo genommen hat. wiedersehen macht freude. in dieser luftigen höhe bedankten wir uns mit einem kleinen taschenmesser-kit von victor inox. eine hand wäscht bekanntlich die andere.




ein paar stockwerke tiefer wollten wir traveller checks wechseln. doch die erste bank konnte nur noten wechseln. weil der manager hier gleichzeitig ein bekannter edelstein dealer ist meinte dieser ganz aufgeregt, ich bekäme jetzt etwas zu gesicht, was nicht vielen beschieden sei. aus einem zerknüllten papier wickelte er einen siebenkarätigen, borlottibohnengrossen sternsaphir aus ratnapura, der im schein seiner taschenlampe mehr funkelte als der weihnachtsbaum am paradeplatz. der dunkle mann mit den blitzenden augen freute sich unheimlich an meinem staunen. geteilte freude ist eben doppelte freude.




das checkeinlösen in der nächsten, sehr modern ausgestatteten bank dauerte seine zeit. nach dreiviertelstunden langem überprüfen der echtheit erhielt ich das gewünschte bündelchen rupies, allerdings zum weit niedrigeren tageskurs als am anfang unseres aufenthaltes. wir bummelten durch das alte holländische spital, wo die hipsten boutiquen und cafés einzug gehalten haben. langsam aber sicher wird nach den wirren kriegsjahren in die alten gebäude aus vergangener blütezeit investiert und schützenswertes wird restauriert. so traten wir in einen sicher hundertjährigen chinesischen laden ein. in verstaubten vitrinen fanden wir bemalte, lädierte gipsfiguren und kleine silberanhänger sowie ein spiel aus knochenstäbchen. der besitzer, ein dienstfreudiger mann, konnte kaum verstehen, dass sein plunder bald schon westwärts fliegen wird.




wieder draussen begegneten wir einem seltsamen trio. einem kleinen, verdreckten jungen an der hand seines vaters, der als muslim ein schräges käppi auf dem kopf trug. und dieser wiederum schob seinen alten vater, dessen nackte füsse so was von verkrüppelt waren, in einem rostigen rollstuhl vor sich her. allerdings stockte das mit einem defekten plasticstuhl aufgemöbeltes gefährt auf der holprigen strasse, weil der velopneu des linken rades total abgenutzt und somit keine luft mehr im reifen war. was für ein jämmerlicher anblick! ich bat einen gepflegten mann mir meine fragen zu übersetzen. nach eingehenden versprechungen des sohnes, dass er in pettah, dem muslimischen bazarviertel, einen ersatzreifen erstehen könnte, händigten wir ihm das notwendige geld aus. für zwölf franken wird der rollende untersatz wieder flott gemacht. das geht zulasten der topfkollekte der heilsarmee auf der zürcher bahnhofstrasse. uns beiden werden zum dank die hände mehrmals geküsst. ein junger mann, der uns beobachtete meinte, wer weiss, was uns im nächsten leben erwartet.



vorbei zwischen dem flachen meeresstrand und einem kleinen see voller pinkfarbenen flamingos fuhren wir wiederum im offenen tuktuk entlang den grossen hotels und den alten botschaftsgebäuden der kolonialmächte in einen südlicheren stadtteil. auf der terrasse des galle face hotel, wo 1890 der russische schriftsteller anton chekhov ein- und ausging, warteten wir bei einem cocktail auf den sonnenuntergang, der uns wegen aufziehender wolken leider nicht vergönnt war. so beobachteten wir anstelle das treiben eines kindergeburtstages. das achtjährige mädchen aus der oberschicht wurde mit einem stapel von geschenken eingedeckt. ich musste dauernd an die kinder in den teahills denken. hüben wie drüben gilt wohl die devise ‚lieber gesund und reich als arm und krank’.

jon hat uns am frühstückstisch empfohlen, nach dem einnachten den gangaramaya tempel aufzusuchen. es lässt sich kaum beschreiben, was wir hier wahrnehmen durften. endlich hatte ich die gelegenheit, meine mitgebrachten dünnen wachskerzen aus ikaria im andenken an maura bei den vielen öllampen anzuzünden. andächtig schlenderten wir durch unzählige räume. in einer oberen halle hörten wir, wie eine lautstarke stimme vermutlich einen vortrag hielt. später erfuhren wir, dass namhafte politiker der oppositionspartei zu mutigen taten gegen die ungerechtigkeiten im system aufgerufen wurden. stets aufs neue erstaunte mich, wie innig vor allem die männer hier beten. und so schritten auch wir sieben mal um den grossen bodibaum mit den herzförmigen grünen blättern, dem baum unter dem buddha einst seine erleuchtung erfuhr. dabei wird aus kleinen stahlbechern kühles wasser den wurzeln zugeschüttet. ich war tief ergriffen was zur folge hatte, dass mich grosses heimweh nach maura überfiel. ich liess meinen tränen freien lauf. eine frau öffnete geschickt die blütenblätter einer pinkfarbenen lotosknospe und legte sie mir in die hände. wie konnte sie nur wissen, dass wir mauras asche vor mehr als fünf jahren mit vielen aus thailand eingeflogenen lotosblüten dem wasser der limmat und somit dem kreislauf der natur übergaben? sind das die unerklärbaren zufälle? lange lauschte ich dem gesang einer betenden frau.



eine gruppe chinesischer männer traten vor einen älteren mönch. wir taten es ihnen gleich und liessen uns auf den knien segnen. ich wurde nach meiner herkunft und meiner momentanen traurigkeit gefragt. der weise mann tröstete mich mit seiner überzeugung, das es meiner tochter jetzt gut gehe. den chinesen und uns wurde von einem grossgewachsenen mönch eine juwelenbesetzte krone kurz aufs haupt gelegt. ein mann stellte sich uns als der stellvertetende arbeitsminister vor. ob wir wissen, welche ehre uns soeben zuteil geworden sei. der alte mönch sei podi hamuduruwa, der ranghöchste, vielverehrte würdenträger von sri lanka. und schon ertönte seine lachende stimme über die köpfe hinweg, die mich an den dalai lama erinnerte:  ‚switzerland woman, come and drink tea with me’. er liess goldumrandete tassen bringen und bewirtete mich wie einen ehrengast. jetzt erzählte er mir von seinem wirken, wie er das gespendete den armen zukommen lässt. 


audienz bei podi hamadurowo


sein grosses, über die ganze insel verteiltes hilfswerk ist in einem buch festgehalten, das er mir als sein persönliches geschenk in die hand drückte. für einmal war ich sprachlos! sein assistent notierte alle daten von maura, david und aron. eigens für sie würden sie eine fürbitte abhalten. ‚gib mir deine mail-adresse, so dass ich dir  nach getaner arbeit diesen trost mitteilen kann’. das charisma dieses asketischen mannes mit neuzeitlichem denken erfüllte den ganzen tempel mit grossem frieden. sein in mein ohr geflüsteter rat: ‚halte deine augen offen, hilf wo immer du kannst, kämpfe gegen die ungerechtigkeiten an, mache es so wie ich und du wirst glücklich sein. zum sterben brauchst du nichts anderes.’ erst im guesthouse sehe ich im erwähnten buch, bei welcher koryphäe mir diese audienz vergönnt war. ob der präsident von si lanka, mahinda rajapaksa, bei der kürzlich erfolgten geburstagszeremonie ebenfalls mit dem meister tee  aus güldenen tassen trinken durfte, geht nicht aus dem reich bebilderten werk hervor. ich fühle mich mehr als nur geehrt. 
der alte mann im rollstuhl und ich sind wohl gleichermassen glücklich heute nacht.


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